„Auszug aus dem Buch „Teure Mieten abschaffen“ Epilog, Autor Anita Tusch
Die Probleme häufen sich und die Schere zwischen arm und reich wird zunehmend größer. Doch wir sollten bei aller Polemik, Probleme, Mißstände und Negativdenken sowie Ängsten die viele Menschen haben, nicht aus dem Auge verlieren, dass wir in einem sehr schönem Land leben und vor allem Freiheiten haben, Dinge selbst in die Hand zu nehmen.
Das Buch „Teure Mieten abschaffen“ von Hamid Djadda ist nicht nur ein Appell an alle Unternehmer, die Möglichkeiten und Positionen nutzen könnten um mitzuhelfen. Nein, es ist ein Appell an alle Bürger unserer Stadt, eine längst überfällige zivilisierte Revolution in Gang zu setzen. Dieses Buch und seine Zeilen, zeigen auf, dass es Zeit wird für einen Umbruch.
Und zwar im Denken und folgedessen wird dies auch unser Handeln verändern. Jeder Unternehmer, jeder Mensch sollte sich bewusst machen, dass auch er selbst etwas unternehmen kann.
In unserer Gesellschaft häufen sich die Probleme, da sie seit Jahrzehnten nicht angepackt worden sind. „Das wird auch immer so bleiben“, erzählte mir in einem langen Gespräch Hamid Djadda, “wenn wir nicht alle anfangen mitzuhelfen oder anderes zu tun“. In der Psychologie nennte man dies, „den Kreis durchbrechen“.
Machen wir es einfach anders und nicht wie bisher. Lasst uns gemeinsam den Kreis durchbrechen.
Als Beispiel möchte ich die Geschichte, die Hamid Djadda in seinem Buch im Kapitel „Der Weg zum Paradies – Gemeinnützigkeit“ erzählte, aus der Sicht des Glasermeisters Hans-Jürgen Arnsmann erzählen, den ich vor Veröffentlichung des Buches kennenlernen durfte.
Ich nenne diese Geschichte einfach mal: Das Wunder von Friedenau
Im Kapitel „Der Weg zum Paradies – Gemeinnützigkeit“ hat Hamid Djadda deutlich gemacht, dass es wenig Sinn macht Politikern hinterherzulaufen und gar um Lösungen anzubetteln. Im Zuge seines Weges, den Berliner Immobilienmarkt besser zu verstehen, sich schlau zu machen, mit Menschen zu sprechen fand er eine Kernlösung: private, gemeinnützige Stiftungen.
Das Besondere an der Schaffung bezahlbaren Wohnraums durch gemeinnützige Stiftungen ist, dass keine Gesetze geändert werden müssen. Den Rest seiner Vision könnt ihr im Buch lesen. Aufgrund des aufgeführten Beispiels in Berlin-Friedenau, fragte ich, ob ich mit dem Glasermeister sprechen und seine Geschichte an die Leser des Buches weitergeben darf.
Ein sogenannter Perspektivwechsel.
Bei Ankunft in der Glasereiwerkstatt von Hans-Jürgen Arnsmann erkenne ich schnell, dass wir es mit einer sehr alten, traditionellen Werkstatt zu tun haben. Ein wirklich schöner Altbau aus Ende des 18. Jahrhunderts steht vor mir und ich betrete das urige, ja schon fast historische Ladengeschäft, vor dem mehrere Staffeleien stehen. Wie ich später erfuhr, in dem schon Gunter Grass seine schönsten Bilder einrahmen ließ.
Hauptaugenmerk der alten Glaserei liegt mittlerweile in der Handwerkskunst der Bilderrahmung. „Entschuldigen Sie die Unordnung“, begrüßt mich Glasermeister Arnsmann. „Durch die Kündigung meiner Geschäftsräume, ist ein mittelschweres Chaos in den Räumen entstanden, da ich versuchte vor Ablauf der Frist, so viel wie möglich zu verkaufen.“
Ich verstehe und will wissen, was passiert in dem Moment, in dem man erfährt, sein Geschäft eventuell aufgeben zu müssen. Bei einem Kaffee erzählte mir Hans-Jürgen Arnsmann, der mit 79 Jahren noch immer 8-10 Stunden in seinem Laden steht und das auch samstags, dass er seit über 50 Jahren seine Werkstatt betreibt. Er hüpfte übrigens die Stufen vor seinem Geschäft in einer Leichtigkeit hinab, die ich selten bei Menschen in diesem Alter vorfinde.
„Im ersten Moment war es wie Schockstarre“, erzählte er, seinen Kaffee schlürfend. Herr Arnsmann bekam die Kündigung für sein Ladenbüro anfangs 2018 und hatte nunmehr bis zum Ende des Jahres Zeit, sich etwas anderes zu suchen. Eine Luxussanierung ist geplant. Ein neuer Eigentümer hat die Immobilie erstanden.
Jeder von uns kann sich sicherlich vorstellen, dass man mit knapp 80 Jahren kaum noch die Kraft hat, eine neue Werkstatt aufzubauen. Doch Hans-Jürgen Arnsmann und seine Frau sind positiv an die Situation herangegangen, denn eines war ihnen klar: Sie hatten keine Macht und die Mittel, dem entgegen zu treten. Die Hoffnung etwas Neues zu finden, war anfangs gegeben. Doch dann die bittere Erkenntnis, weder in der Nähe noch bezahlbare Ladenflächen sind zu finden.
Und dann kamen sie, die schlaflosen Nächte. Was ist, wenn bis zum Ablauf der Frist keine Alternative gefunden wird? Angst und Ungewissheit zog in die Familie ein.
Doch noch viel schlimmer, erzählte mir Hans-Jürgen Arnsmann war es, dass jemand anderes über das Ende seiner Arbeit entschied. Er wollte als Selbständiger selbst entscheiden, wann Schluß ist. Das war ihm jetzt genommen. Er fühlte sich wie herausgerissen aus seinem Leben, weil jemand anderes „eine Idee hatte“, die mit ihm nichts zu tun hatte.
Doch je näher das Ende der Frist rückte umso mehr mußte die Familie und somit auch Glasermeister Arnsmann den Tatsachen ins Auge sehen. Ein beherzter Journalist schrieb im Mai über seine Geschichte. Es passierte nicht viel, außer, dass er mehr Arbeit und Umsatz hatte, gestand er. Eine echte Lösung war immer noch nicht in Sicht. Verzweiflung machte sich immer breiter. Es fiel ihm auf, dass seine Frau mit der Zeit immer ruhiger wurde und er machte sich Sorgen. Dennoch half sie tatkräftig mit für ihn einen neuen Laden zu finden.
Doch der Erfolg blieb weiter aus und die Hoffnung schwand. „Das ist mein Ruin, dachte er sich.
Weihnachten nahte. Sie beschlossen alles was möglich war, zu verkaufen und baten den Makler um Aufschub. Der Journalist rief wieder an und hakte nach. An dieser Stelle ist dem beherzten Journalisten zu danken, der wiederholt – ohne Wissen der Familie Arnsmann – im November einen weiteren Artikel veröffentlichte.
Und manches Mal, liebe Leser, bestimmt einfach der richtige Zeitpunkt über das Schicksal eines anderen Menschen. Im Mai 2018 als der erste Bericht in den Medien veröffentlicht wurde, fing Hamid Djadda erst an, sich für den Berliner Wohnungsmarkt und die Probleme intensiv zu beschäftigen. Im November, als der beherzte Journalist den zweiten Artikel ohne Wissen der Familie einstellte, war das Büro Djadda so sensibilisiert auf diese Ungerechtigkeiten und zufällig auf genau diesen Artikel aufmerksam geworden.
Eine Mitarbeiterin aus dem Büro Djadda erzählte mir, dass er einfach nur sagte: „Das kann man doch nicht machen. Lass uns Kontakt aufnehmen, vielleicht können wir helfen“.
Ein Anruf aus dem Büro Djadda erreichte Herrn Arnsmann. Doch Herr Arnsmann gab zu, dass er sich schlicht und einfach veräppelt fühlte. „Die Dame am Telefon erzählte mir, dass sie mir vielleicht helfen könnte und gerne einen Besichtigungstermin für mein Geschäft hätte.
So einen Quatsch glaubte ich nicht. Wer und warum sollte so etwas denn tun?“
Er ignorierte dieses Gespräch und kümmerte sich um den Verkauf seiner Güter. Durch die Mithilfe vieler Bürger in Friedenau wurden kurz vor Weihnachten etliche Bilderrahmen verkauft.
Und dann gab es diesen Tag, an dem der ihm bekannte Makler und ein Interessent, sich die Räumlichkeiten ansahen. Herr Arnsmann sah an diesem Tag Hamid Djadda zum ersten Mal. Die Situation fand der Glasermeister eigenartig und war eher zurückhaltend.
Einige Zeit später, sah er Herrn Djadda ein weiteres Mal. Nur kurz.
„Ich werde diesen Satz nie vergesssen“, entgegnete er mir fast flüsternd. „Dieser mir fremde Mann sagt nur: Sie können bleiben, unter den bisherigen Bedingungen.
Mehr sagte er nicht und verschwand. Ich war so glücklich, dass ich völlig vergessen hatte zu fragen, wer er eigentlich ist. Mir ist in dem Moment so ein großer Stein vom Herzen gefallen, dass ich das alles gar nicht richtig fassen konnte.
Ich war einfach nur glücklich. Ich bleibe, Wahnsinn habe ich laut vor mir her gesagt.
Das war alles was ich wollte, hier bleiben. Meine Frau, die unser Handy verwaltet hat die ganze Familie informiert. Es war mir solch eine Freude ihr zuzuschauen, wie alle Anspannung von ihr abfiel und ihr Lächeln im Gesicht zu sehen, dass alles wieder gut wird. Anfangs wollte uns keiner so richtig glauben schenken. „Nein, was erzählt ihr da? So etwas gib es nicht“ wurde ihm ungläubig entgegen geschleudert. Doch dann haben sich alle mit gefreut.
Der für mich wichtigste Satz, den mir Herr Arnsmann in diesem Gespräch zum Abschluss sagte war:
Ich war danach ein anderer Mensch. Sollte es doch noch Menschen geben, die etwas Gutes tun, ohne etwas anderes zu erwarten?
Ja, die gibt es konnte ich bestätigen und erzählte ihm, wer sich um dieses kleine Wunder in Friedenau gekümmert hat. Und er bat mich ihm zu sagen, dass er einfach nur wahnsinnig glücklich ist.
Das schönste an diesem Projekt ist, es hat nichts gekostet, außer einige Gespräche zu führen und analytisch an diese Situation heranzugehen, wie ihr detailliert im Buch entnehmen könnt.
Und ich möchte als Fazit noch etwas hinzufügen. Wir können uns über diese Ungerechtigkeiten unentwegt aufregen oder, wie Hamid Djadda analytisch und mit konkreten Maßnahmen an die Probleme unserer Stadt herangehen.
Da die Glaserei über eine Stiftung finanziert wurde, wird dieses Ladengeschäft auch über den Betrieb von Herrn Arnsmann hinaus eine günstige Miete garantieren und somit eines Tages, wenn Herr Arnsmann beschließt in Rente zu gehen einem neuen innovativen Projekt Raum mit bezahlbarer Miete ermöglichen.
Wenn wir das Wunder von Ber….ähm ich meine Friedenau als Metapher nehmen und die Freude dieser Familie und vielen Friedenauern, die mitgebangt haben nutzen, einen Freudentaumel auszulösen.
Was würde passieren, wenn wir alle ein wenig mehr analytisch und nachhaltig denken würden?